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Corona als Booster für RNA-Impfstoffe gegen Krebs

 

Aufgrund der Corona-Pandemie haben die mRNA-Impfstoffe den Durchbruch geschafft. Fast jeder weiß heute, was ein mRNA-Impfstoff ist. Neu ist dieser Ansatz jedoch nicht – denn die mRNA-Technik kommt eigentlich aus der Krebsforschung. COVID hat jetzt jedoch den Beleg dafür geliefert, dass mRNA-Impfstoffe eine wirksame und sichere Technologie für Millionen Menschen sein können.

Schon seit über 20 Jahren beschäftigt sich die Krebsforschung mit der messenger RNA oder kurz: mRNA-Technik. Nicht nur bei COVID, auch im Bereich der Krebsimmuntherapie macht diese Technik immer größere Fortschritte. Ziel der Technik ist es, die bösartigen Zellen zu erkennen und zu zerstören.

Bei dem Kampf gegen Krebs ist die Herausforderung jedoch wesentlich größer, als bei der Impfung gegen ein Virus. Einen klar umrissenen Angriffspunkt wie das Spike-Protein bei COVID-19 sucht man beim Krebs vergebens und die DNA-Mutationen der Krebszellen gestalten sich von Patient zu Patient unterschiedlich. Es gibt nicht den einen Feind oder das eine Virus. Moderne mRNA-basierte Krebstherapien müssen deshalb individuell auf den jeweiligen Patienten angepasst werden.

An dieser Stelle kommen die individualisierten mRNA-Krebsimpfstoffe ins Spiel. Für ihre Herstellung wird eine Gewebeprobe des Tumors entnommen und gemeinsam mit der DNA des Patienten analysiert. So werden Mutationen identifiziert, die die Krebszellen von gesunden Zellen unterscheiden.

mRNA-Impfung hilft Immunsystem auf die Sprünge

Für die individuelle Therapie suchen die Forscher zunächst nach typischen Eiweißen, die Krebszellen verraten können. Eigentlich sind Krebszellen durchaus auffällig im Vergleich zu gesunden Zellen. Das Problem, warum sich Krebszellen lange Zeit unbemerkt vermehren können, ist jedoch, dass das Immunsystem diese Zellen nicht von allein erkennt. Um dem Immunsystem auf die Sprünge zu helfen, nutzen die Forscher die mRNA-Technik: Sie stecken die entschlüsselten Informationen der Krebszellen als eine Art Bauplan in die mRNA. Dann werden kleine Eiweißstücke von eben diesen Krebszellen hergestellt und verimpft. Der Körper erkennt daraufhin die Zellen als fremd und bekämpft sie. Man kann sich das wie eine biologische Software vorstellen.

War die Impfung erfolgreich, stellt der Körper anschließend eigene Krebsproteine her. Diese sind nicht gefährlich, sondern nur eine Erkennungsmarke für die schädlichen Krebszellen. So kann das Immunsystem identifizieren, was ist eine Krebszelle und was ist eine gute Zelle ist. Bei der Krebszelle kommt dann die entsprechende Immunantwort: Die T-Zellen des Immunsystems – also die weißen Blutkörperchen, die Viren bekämpfen – werden von der Boten-RNA so geschult, dass sie bis zu 20 verschiedene Mutationen erkennen und die entsprechenden Krebszellen zerstören können.

Das ist ein genialer Trick. Denn der Krebs signalisiert dem Immunsystem normalerweise, dass es sich ruhig verhalten soll. Ziel des mRNA-Vakzins ist es, das System wieder in Alarmbereitschaft zu versetzen und ihm die nötigen Informationen über die Tumorzellen zu geben, damit es damit beginnen kann, sie anzugreifen. Die Idee hinter dieser Therapie ist also, unser eigenes Immunsystem als Waffe gegen den Krebs einzusetzen. Das ist keine uniformierte Behandlung, sondern eine extrem individuelle und hochspezifische Therapie.

Obwohl diese Art der Therapie sehr vielversprechend klingt, darf man nicht vergessen, dass die Entwicklung dennoch erst am Anfang steht. So unmittelbare Erfolge wie beim COVID-19-Impfstoff wird man nicht gleich sehen. Einer Zulassung von mRNA-Impfstoffen zur Behandlung von Krebs werden Jahre voller Tests und klinischer Studien vorausgehen. Sie werden nicht in derselben Rekordzeit verfügbar sein, wie es die COVID-19-Impfstoffe dank Notfallzulassung waren.

Ein großer Unterschied zwischen Krebsimpfstoffen und COVID-19-Vakzin ist vor allem auch die Einsatzart. Bei COVID-19 sollen die Menschen vor einer Infektion mit dem Virus geschützt werden: Dem Immunsystem wird eine Vorschau auf das Spike-Protein des Virus gezeigt, sodass es weiß, was und wo es angreifen muss, wenn es auf den echten Erreger trifft. Im Gegensatz dazu sind die mRNA-Krebsimpfstoffe zur Behandlung der bereits bestehenden Krankheit gedacht. Sie sollen das Immunsystem des Patienten dazu bringen, Tumorzellen anzugreifen, die schon im Körper existieren.

Kann die Krebsforschung durch die Corona-Pandemie profitieren?

Zuerst war es anders herum. In der Corona-Pandemie konnte man sehr viel von den Erfahrungen aus der Krebsforschung profitieren. Sonst hätte der Impfstoff nicht so schnell entwickelt werden können. Innerhalb weniger Wochen, nachdem das Erbgut des Virus entschlüsselt war, war der Impfstoff bereits fertig. Er musste dann „nur noch“ klinisch getestet werden.

Wir haben in der Pandemie also stark von den Erkenntnissen der Krebsforschung profitiert. Die Hoffnung ist jetzt, das die Krebsforschung im Nachhinein auch von der Pandemie profitiert. So können Forscher jetzt auf zahlreiche Daten zugreifen, die sie sonst nicht so schnell hätten sammeln können. Beispielsweise wurden Verträglichkeit und Nebenwirkungen von mRNA-Impfstoffen intensiv dokumentiert.

Perspektive dieser Krebstherapie

Es ist nicht davon auszugehen. dass Boten-RNA das Allheilmittel gegen jede Form von Krebs sein wird. Aber die Kombination macht’s: Die Forscher untersuchen daher die Wirksamkeit von mRNA-Vakzinen in Kombination mit immunbasierten Therapieformen wie Immun-Checkpoint-Inhibitoren, die die Krebszellen daran hindern sollen, die körpereigene Abwehr zu unterdrücken. Oder der adoptiven T-Zell-Therapie, bei der T-Zellen aus dem Blut des Patienten entnommen und genetisch so verändert werden, dass sie nach der Rückführung Tumorzellen erkennen und zerstören können.

Bisher gibt es noch wenige Studien zur Anwendung von mRNA-Krebsimpfstoffen am Menschen, doch diese geben Anlass zur Hoffnung. In einer Phase I-Studie wurde eine Kombination aus Boten-RNA und Immun-Checkpoint-Inhibitoren zur Behandlung von Kopf-Hals- und Dickdarmkrebs getestet. Mit der Behandlung schrumpften bei fünf von zehn Patienten mit Kopf-Hals-Karzinomen die Tumore. Bei zwei der Probanden konnten bei der abschließenden Untersuchung keine Krebszellen mehr nachgewiesen werden. Unter den 17 getesteten Dickdarmkrebs-Patienten jedoch zeigte die Kombi-Behandlung bei keinem eine Wirkung. Vermutlich, weil bei Dickdarmkrebs die Krebszellen besser im Körper versteckt sind. Hier reicht es nicht aus, dem Körper zu zeigen, wie die Krebszelle aussieht.

Auch Studien an Tieren liefern vielversprechende Ergebnisse: Hier wurde z. B. eine Kombination aus mRNA-Impfstoff und einem Immun-Checkpoint-Inhibitor-Medikament an Mäusen mit Brustkrebs getestet. Das Wachstum der Tumore im Lymphgewebe der Mäuse ließ durch die Behandlung stark nach. Bei 40% der Tiere entwickelten sich die Tumore komplett zurück.

Das zuständige Paul-Ehrlich-Institut rechnet damit, dass es in Deutschland in frühestens fünf Jahren eine erste Zulassung für mRNA-Impfstoff gegen Krebs gibt. Aktuell werden in Deutschland 17 klinische Studien gegen Lungen-, Prostata- oder Hautkrebs dazu durchgeführt. Also sehr spezielle Krebsarten. Doch man ist jetzt optimistischer, weil man einige Daten zu den Nebenwirkungen und zur Verträglichkeit hat. Jetzt wird sich zeigen, wie schnell es gelingen kann, eine Impfung gegen Krebs zu entwickeln.

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